Physio & Sport

Diabetesfit

Das Diabetesfit ist ein Rehabilitationsprogramm, dass sich vorwiegend an Patient*innen mit Zuckerkrankheit und Übergewicht wendet.

Es ist gut bekannt, dass eine regelmässige körperliche und sportliche Betätigung und eine ausgewogene Ernährung die Entstehung von Diabetes verhindern respektive das Fortschreiten bremsen. In unserem Diabetesfit wollen wir die Rückgewinnung und Optimierung einer alltagsrelevanten Funktionalität und der damit verbundenen Belastbarkeitssteigerung von Diabetiker*innen erreichen.

Nahezu alle diabetischen Spätfolgen basieren auf Schädigungen des Gefässsystems. Dabei werden beispielsweise die Kapillargefässe innerhalb der Myelinscheiden (Hülle der Nervenzelle, welche die elektrischen Informationen des Nervensystems leiten) geschädigt und bilden danach die bekannten Krankheitsbilder aus. Dazu zählen im Bereich der Nerven, Augen, Nieren und der peripheren Körperabschnitte z. B.:

  • Polyneuropathie (diabetische Neuropathie)
  • Augenkrankheiten (diabetische Retinopathie)
  • Niereninsuffiziens (Nephropathie)
  • Wundheilungsstörungen (DFS Diabetisches Fusssyndrom), Nekrosen

Unter physiotherapeutischer Anleitung werden die Ausdauer und die Muskelkraft schrittweise aufgebaut.

Diesem Krankheitsverlauf soll durch das im Folgenden erläuterte Trainingsprogramm frühzeitig entgegengewirkt werden:

Tarife

Die Grundversicherung der Krankenkasse übernimmt die Kosten der ärztlich verordneten
Physiotherapie des Diabetestrainings.

 

  • Aktueller Studienlage zum Training bei Diabetes mellitus

    1. Patient*innen mit Metabolischem Syndrom und IGT ist aufgrund der hohen Evidenz der Zugang zu einem Lebensstiländerungsprogramm zu ermöglichen, das neben einer Ernährungsumstellung mindestens 150 Min. Ausdauertraining pro Woche an mindestens drei Tagen beinhalten sollte. Dies ist nicht ohne eine umfassende Motivationsarbeit zu erreichen.
    2. Patient*innen mit bereits manifestiertem Diabetes Typ 2 ist ebenfalls eine Bewegungssteigerung zu empfehlen, deren Umfang bei ca. 300 Min. pro Woche entsprechend täglichem Spazierengehen von 45 Min. liegen sollte, um ausreichende metabolische und prognostische Effekte zu erzielen. Die Bewegungssteigerung ist als ergänzend zu allen anderen Massnahmen anzusehen, verfolgt aber das Ziel einer Verminderung der medikamentösen Therapie (Reduktion von Tablettenzahl bzw. Dosisreduktion des Insulins). Dieses Ziel kann durch gezielte Patient*innenschulungen erreicht werden. Als weiteres Modul stehen die sogenannten Diabetiker*innen-Rehabilitationssportgruppen zur Verfügung. Die Teilnahme ist als lebenslange Therapiestrategie zu empfehlen.
    3. Auch Patient*innen mit Diabetes Typ 1 ist generell eine regelmässige körperliche Betätigung zu empfehlen. Hier müssen die zu erwartenden Stoffwechselturbulenzen berücksichtigt werden. Arzt–Patient*innen-Seminare können das nötige profunde Wissen vermitteln, um die Gefahren der Hypo- und Hyperglykämie zu vermeiden respektive entsprechend zu reagieren.
    4. Allen Patient*innen mit metabolischem Syndrom, IGT und Diabetes Typ 1 und Typ 2 ist vor Aufnahme einer regelmässigen körperlichen Betätigung eine sportmedizinisch-diabetologische Untersuchung anzuraten. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Abklärung einer koronaren Herzerkrankung sowie einer diabetischen Retino- und Neuropathie. Besonders sollten bereits vorhandene Fusskomplikationen beachtet werden und durch entsprechendes Schuhwerk versorgt sein.
    5. Die zu empfehlenden Sportarten richten sich zum einen nach dem Ziel des zusätzlichen Energieverbrauches von etwa 27 METs1-Std. pro Woche, zum anderen nach den bestehenden Begleiterkrankungen und dem der jeweiligen Sportart eigenen Gefährdungspotenzial. Die Durchführung einer Sportbetätigung sollte dosierbar sein, sodass das Ziel einer Intensität von 60–70% VO2max erreichbar ist. (Spiroergometrie kann bei Physio & Sport am Bahnhof abgehalten werden.) Sportarten wie Walking, Nordic-Walking, Fahrradfahren oder Schwimmen sind aufgrund ihres geringen Gefährdungspotenzials und der Dosierbarkeit mittels Herzfrequenzkontrollgeräten (Pulsuhren) zu favorisieren. Bei jeder Ausübung einer Sportart ist zu berücksichtigen, dass die Teilnehmer*innen meist Sportneu- bzw. Wiedereinsteiger*innen sind, die langsam an die für sie ungewohnte körperliche Leistung herangeführt werden sollten.
      1 Metabolic Equivalent of Task – Das MET wird als Mass für die Dosierung körperlicher Aktivität und zur Abschätzung der kardiovaskulären Fitness genutzt. Die WHO empfiehlt 600 MET-Minuten pro Woche.

     

    Erläuterung Krafttrainingsrelevanz
     

    • Wirkmechanismus beim Diabetes Typ 2

    Mit zunehmendem Alter ist aufgrund orthopädischer oder neurologischer Komorbiditäten das Krafttraining eine wichtige zusätzliche Sportoption oder möglicherweise sogar die einzige Möglichkeit zu regelmässiger körperlicher Aktivität. Grundsätzlich wird von einer nicht-linearen Abnahme der Muskelkraft in der sechsten (-15%) bis zur achten Lebensdekade um ca. 30% ausgegangen. Kontrollierte Untersuchungen haben gezeigt, dass im Alter von einer guten Trainierbarkeit der Kraft auszugehen ist. In Hinblick auf den relativen Kraftzuwachs, lässt sich bei älteren Menschen häufig sogar ein höherer Trainingsgewinn nachweisen als bei Jüngeren. Die Verbesserung der Muskelkraft sowie die Aufrechterhaltung eines aktiven Bewegungsapparates fand allerdings in den vergangenen Jahren, im Unterschied zur Aufrechterhaltung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit, eher wenig Beachtung.
    Meist wird als Ausdruck einer verminderten Leistungsfähigkeit der Muskulatur im Altersgang die sogenannte Sarkopenie entsprechend einem Verlust an Muskelquerschnitt und Muskelfaserdichte genannt. Zusätzlich wird eine Abnahme der Dicke und eine quantitative Reduktion, insbesondere der schnellen Typ 2 Fasern mit hoher Reizschwelle beschrieben, weshalb in der Regel eine Reduktion der maximalen Muskelkraft zu beobachten ist. Parallel zu der morphologisch-strukturellen Veränderung der Skelettmuskulatur wurde zudem über eine Abnahme der Anzahl an grossen Alpha-Motoneuronen im Rückenmark als Zeichen einer neuronalen Beteiligung berichtet. Durch körperliche Aktivität kann die Insulinresistenz der Muskulatur über verschiedene metabolische und strukturelle Adaptationsmechanismen, insbesondere in frühen Stadien, entscheidend verbessert werden.
     

    • Periphere Neuropathie und Diabetisches Fusssyndrom (DFS)

    Wenn eine periphere Neuropathie vorliegt, bergen Bewegung und Sport erhebliche Risiken für die Entwicklung eines DFS. Durch die gestörte Sensibilität wird Schmerz als Warnsymptom vermindert wahrgenommen, sodass körperliche Aktivität trotz kleinster Fussverletzungen oder Blasen, z. B. induziert an den Füssen durch Tragen neuer Schuhe, die Aktivität fortgesetzt und das Trauma vergrössert wird. Dieses kann zu schwersten Fussinfektionen mit Gangrän bis zur lebensbedrohlichen Sepsis führen. Bei Patient*innen mit peripherer Neuropathie bergen Sportarten mit besonderer Belastung der Füsse, wie langes Gehen, Joggen oder Ballspiele, ein höheres Risiko für die Entwicklung sportinduzierter Komplikationen als Betätigungsformen, bei denen das eigene Körpergewicht nicht getragen werden muss, wie z. B. beim Schwimmen oder Fahrradfahren. Grundsätzlich sollten Patient*innen mit peripherer Polyneuropathie eine gründliche Inspektion der Füsse vor und nach körperlicher Betätigung durchführen. Dabei muss besonders auf Schwellungen, Rötungen und andere Auffälligkeiten geachtet werden. Um Komplikationen zu vermeiden, sollten die Regeln für Kauf und Tragen von geeignetem Schuhwerk beachtet werden. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben scheint aber grundsätzlich bei diesen Patient*innen sowohl ein Ausdauer- wie auch Krafttraining sicher durchführbar.
    Eine erhöhte Alltags- und Sportaktivität, eine gute körperliche Fitness sowie eine hohe Muskelmasse und gute motorische Kompetenz können die metabolisch-energetische Muskelfunktion günstig beeinflussen und die Energiebilanz in einem stabilen Gleichgewicht halten. Aktuelle Empfehlungen nationaler wie internationaler Fachgesellschaften beinhalten daher als Basistherapie des Diabetes mellitus Typ 2 (DM Typ 2) eine Lebensstilintervention durch vermehrte körperliche Aktivität und Veränderung der  Ernährungsgewohnheiten. Die Bedeutung der körperlichen Mehraktivität in der Prävention und Therapie des DM Typ 2 ist seit Jahren unbestritten. Die hierzu vorliegenden Daten basierten jedoch bislang vorwiegend auf Ergebnissen zu aerobem Ausdauertraining. Krafttraining ist jedoch zweifelsohne eine wichtige zusätzliche Sportoption und gerade in höherem Alter oder bei Komorbiditäten möglicherweise sogar die einzige Möglichkeit zu regelmässiger körperlicher Aktivität. Erst seit einigen Jahren wurde auch die Bedeutung des Krafttrainings mittels kontrollierter Studien erforscht und belegt. In Hinblick auf die Verbesserung der glykämischen Stoffwechsellage durch Krafttraining konnte eine durchschnittliche absolute Absenkung des HbA1c von ca. 0,6% verzeichnet werden; die Optimierung der Langzeit-Blutzuckerkontrolle liegt somit im Bereich der Effekte von aerobem Ausdauertraining. Die Empfehlungen für Kraftausdauertraining lauten: Mindestens dreimal pro Woche unter Einbeziehung aller grosser Muskelgruppen und mit moderater bis hoher Intensität (70–80% des einmaligen Wiederholungsmaximums). Die Datenlage zeigt ebenfalls, dass bei Fehlen von Kontraindikation Kraft- und Ausdauertraining kombiniert durchgeführt werden sollten, da synergistische Effekte nachweisbar sind.
    Neben einer genetischen Disposition sind Bewegungsmangel und Adipositas die primären Faktoren in der Pathogenese der pathologischen Glukosetoleranz und des Diabetes mellitus Typ 2 (DM Typ 2). Eine frühzeitige Erkennung des DM Typ 2 ist wichtig, da bei verzögerter Diagnosestellung, neben den akuten Komplikationen der Hyperglykämie, diabetische Folgeerkrankungen vor allem durch Makro- und Mikroangiopathie sowie Neuropathien drohen. Über 7% aller Deutschen weisen bereits einen manifesten DM Typ 2 auf. Dies trifft vor allem auf ältere Bevölkerungsschichten zu; in der Gruppe der über 70-jährigen Frauen sind bereits mehr als 20% an einem DM Typ 2 erkrankt. Es ist unbestritten, dass eine Kombination aus erhöhter Alltags- und Sportaktivität, eine gute körperliche Fitness sowie eine hohe Muskelmasse und gute motorische Kompetenz das Ausmass des aktivitäts-induzierten Energieumsatzes deutlich erhöhen können. Diese Komponenten tragen entscheidend dazu bei, Kenngrössen der metabolisch-energetischen Muskelfunktion günstig zu beeinflussen und die Energiebilanz in einem stabilen Gleichgewicht zu halten. Aktuelle Empfehlungen nationaler wie internationaler Fachgesellschaften beinhalten daher als Basistherapie des DM Typ 2 eine Lebensstilintervention durch vermehrte körperliche Aktivität und Veränderung der Ernährungsgewohnheiten. Diese Therapie sollte in jedem Stadium der Erkrankung die Basis der Intervention darstellen; gerade zu Beginn der Erkrankung ist es sehr häufig möglich, durch gesunde Ernährung und sportliche Aktivität eine medikamentöse Behandlung auf Jahre hinaus zu verzögern, wenn nicht gar zu verhindern. Darüber hinaus kann durch eine Lebensstiländerung die Höhe der Dosierung einer eventuell notwendigen medikamentösen Therapie gesenkt werden. Die leitliniengerechte Therapie des DM Typ 2 sieht einen Stufenplan zur therapeutischen Intervention vor. Der Zielwert des HbA1c sollte 6,5% betragen. Eine Ausweitung der therapeutischen Intervention ist notwendig, wenn sich der HbA1c-Wert nicht unter 7,0% stabilisieren lässt. Der Interventionseffekt liegt somit nur geringfügig und nicht signifikant unterhalb der Absenkung durch reines Ausdauertraining. Die ersten Studien zur Kombination aus Ausdauer- und Krafttraining haben einen synergistischen Effekt nachgewiesen, sodass die aktuellen Empfehlungen eindeutig zur Kombination tendieren.

  • Zusammenfassung und Empfehlung für Kraftausdauertraining bei Diabetes mellitus

    Durch Krafttraining werden pathophysiologisch bedeutsame Mechanismen der peripheren Insulinresistenz in der Muskelzelle positiv beeinflusst. In Analogie zum aeroben Ausdauertraining wurde auch für das Krafttraining der Evidenzgrad A in Hinblick auf die Verbesserung der glykämischen Stoffwechsellage ausgesprochen. Aktuelle Metaanalysen beziffern den Absoluteffekt hinsichtlich der Absenkung des HbA1c auf ca. 0,5–0,6%.
    Obwohl sich der BMI durch reines Krafttraining zumeist nicht wesentlich verändert, kommt es zu signifikanten Veränderungen der Körperkomposition mit Reduktionen auch des pathophysiologisch bedeutsamen viszeralen Fettanteils. Entgegen früherer Meinungen ist Krafttraining auch bei vorhandener kardiovaskulärer Komorbidität nicht mit einer erhöhten Herz-Kreislaufsterblichkeit assoziiert. Eine umfassende körperliche Untersuchung und Schulung der Patient*innen vor Aufnahme eines körperlichen Trainingsprogramms ist unerlässlich.
    Wenn möglich, sollte Kraft- mit Ausdauertraining kombiniert werden, da synergistische Effekte hinsichtlich glykämischer Stoffwechsellage und weiterer metabolischer Risikofaktoren (arterielle Hypertonie, Dyslipoproteinämie) nachweisbar waren.
     

    • Empfehlungen für Kraftausdauertraining

    Dreimal pro Woche Krafttraining – Die Übungen sollten unter initialer Anleitung gegen das Körpergewicht, mit elastischen Bändern, mit Geräten oder geringen Gewichten durchgeführt werden. Da der akute Einmaleffekt der körperlichen Aktivität auf die Insulinresistenz nach 48 Stunden weitgehend abgeklungen ist, sollte das Training mindestens jeden zweiten Tag erfolgen. Dies ist vor allem für Patient*innen unter Insulintherapie oder oralen Antidiabetika mit potenzieller Hypoglykämiegefahr bedeutsam. Das Training sollte alle grossen Muskelgruppen involvieren und mit moderater bis hoher Intensität durchgeführt werden (70–80% des einmaligen Wiederholungsmaximums [1 RM]). Höhere Intensitäten 80–100 1 RM sind potenziell für die Blutzuckereinstellung günstig aber nicht für alle Patient*innen praktikabel.